Hohes Lied 8, 6-7
Mk 6, 7-13

Liebe Mutter Johanna, liebe Schwestern der Abtei Frauenwörth, Liebe Festgäste, Schwestern und Brüder!

Ich habe mich für meine Predigt inspirieren lassen vom neuen Wandteppich von Frau Elisabeth Lammers, der seit September 2017 die neue Chorkapelle im Gästehaus schmückt.
Die zwölf Demutstufen der Benediktusregel bilden das theologische Konzept von Br. Thomas mit der Zentralaussage:

ICH bin da für DICH – hörend.
ICH liebe DICH.
Vertraue dem Leben,
denn ICH bin immer bei DIR.

Das Ziel ist die Liebe zu Christus, die Freundschaft mit Christus, besser noch: die Annahme der Liebe Christi: ich lasse mich von ihm lieben!
Das zu leben und zu verkünden durch unser Leben, gestärkt durch die Botschaft Gottes in der Hl. Schrift, getragen von Bildern – wie dieser Teppich – und ermutigt durch das Beispiel der Seligen Irmengard: das ist die schönste und erste Aufgabe der Ordensgemeinschaft der Benediktinerinnen der Abtei Frauenwörth.

Papst Franziskus lädt uns dazu in „Evangelii gaudium“ ein:
„Ich lade jeden Christen ein…. noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von ihm finden zu lassen. Es gibt keinen Grund, weshalb jemand meinen könnte, diese Einladung gelte nicht ihm, denn niemand ist von der Freude ausgeschlossen, die der Herr uns bringt. …. Wenn jemand einen kleinen Schritt auf Jesus zu macht, entdeckt er, dass dieser bereits mit offenen Armen auf sein Kommen wartete.“ (EG3)

Da sind wir nun ganz bei der heutigen Lesung und beim Evangelium:
Wer von dieser Liebe und Freude erfüllt ist, wird das Evangelium glaubwürdig und ohne Angst und Zwang verkünden. „Nehmt nichts mit auf eurem Weg!“ Nicht Macht, nicht unnützen Vorrat, nicht Besessenheit von Geld und anderen Absicherungen, sondern nur mein Wort und die Kraft zum Heilen. Nehmt nichts mit, was zerstört und Gräben aufreißt: nur eine Kraft, die Kraft des Geistes, der dem Ungeist, den Abergeistern und den Dämonen von heute Halt gebietet. Bei der Parallelstelle von Matthäus, die wir am Donnerstag gehört haben, steht auch noch der Satz: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben!“ Es ist uns so viel geschenkt worden im Leben an Gaben und Begabungen –gratis – aus Gnade: das dürfen wir weiterschenken. Das sind nicht Dinge, die man kaufen kann, sie sind umsonst, wertvolle Geschenke für das Leben.

Das will Gott: LEBEN – Volles und sinnvolles Leben will er schenken. Wir dürfen mitwirken am Kunstwerk des Lebens, dass es gelingt und gut wird. Die Künstlerin des Bildwebteppichs hat gesagt: „Willst leben, musst weben!“ Und „Leben“ heißt für uns Christen: Leben in Fülle, ewiges Leben! Deshalb zitiert Mutter Johanna im Vorwort des Rundbriefes anlässlich des Todes von 3 Mitschwestern das Gebet des Königs Hiskija in der Zuversicht auf Heilung: „Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben, du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch. Und dann betet er weiter: Herr ich vertraue auf dich; du hast mich geprüft. Mach mich gesund und lass mich wieder genesen.“ (Jes 38, 12.16)

Manchmal erleben wir im Leben nicht nur den goldenen Faden und das Geglückte, sondern auch den einen oder anderen Mangel und Fehler, auch das Bruchstückhafte.

Da bin ich auf einen interessanten Gedanken gestoßen beim Stamm der Navajos-Indianer. Sie weben bewusst in einer Ecke einen kleinen Webfehler ein. Den betrachten sie als die Stelle, an der der Geist in den Teppich hinein – und aus ihm herausgeht: dort, wo das exakte Muster unterbrochen wird, bekommt der Geist eine Chance.
„Der hat einen Webfehler“: das kann man von einem Menschen sagen, den man für verrückt hält. An Pfingsten – als der Geist Jesu, der Hl. Geist, einen Zugang zu den Aposteln fand, als sie be-geistert das Evangelium von Jesus Christus verkündeten – da sagten die anderen: „Die sind nicht mehr bei Verstand, die sind verrückt oder betrunken!“
Die Geschichte der Kirche beginnt mit Verrückten. Am Anfang steht nicht das exakte Muster, sondern ein Webfehler: das Hereinbrechen des Hl. Geistes in das Haus und in die Menschen, die im Vertrauen auf Jesus dort warten: Ängstliche bekommen Mut, Zögernde geraten in Bewegung, Unsichere werden Zeugen.

Es waren immer Menschen, begeisterte und begeisternde Christen, die der Kirche zu einem neuen Pfingsten verholfen haben.
Ich denke an Franz von Assisi, den verrückten Aussteiger, der mit voller Leidenschaft trotz Widerstand mit seinem Leben die herausfordernde Botschaft Gottes überzeugend gelebt hat.

Wir haben in dieser Woche euren Ordensvater, den Hl. Benedikt gefeiert, der uns das rechte Maß lehrt von Gebet und Arbeit. Auch er ist in seiner Gemeinschaft als Abt mit seiner Ordensregel zunächst auf ziemlichen Widerstand gestoßen, dass man ihn sogar vergiften wollte.
Ich denke auch an den Heiligen Papst Johannes XXIII., der in einem Moment plötzlicher Eingebung das II. Vatikanische Konzil einberufen hat. Auf die Frage, was er sich von diesem Konzil erhoffe, soll er das Fenster in seinem Arbeitszimmer weit geöffnet und gesagt haben: „Dass es frische Luft herein lässt!“ Viele waren dagegen, aber wie beim ersten Pfingsten wurden damals ängstliche Bischöfe mitgerissen, ein neuer Geist hielt Einzug in die Kirche. Bekannt ist sein Wort: „Wir sind nicht auf Erden, um ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten zu pflegen, der von blühendem Leben strotzt und für eine schönere Zukunft bestimmt ist.“

Auch Papst Franziskus begeistert heute viele, aber der Widerstand in der Kurie und bei Traditionalisten ist auch gewaltig.
Sie verehren hier im Chiemgau die Selige Äbtissin Irmengard, die „Zweite Stifterin“ von Frauenchiemsee. Nicht heroische Daten sind es, aber eine „nachhaltige“ Hingabe an Gott und der Dienst an den Mitschwestern und die Fürsorge für die Menschen rund um den Chiemsee halten sie in lebendiger und dankbarer Erinnerung.
„Nachhaltig“: d.h. noch heute wirkt Irmengard in den Herzen der Schwestern und vieler Menschen als ein Licht auf dem Leuchter. Oft ist nicht das Laute das Wirkungsvollste im Leben, sondern eher das Stille und Unscheinbare. Der verstorbene Bischof Reinhold Stecher aus Innsbruck hat es so gesagt:

„Das Gute
spielt in dieser Welt
seinen Part meist
piano und pianissimo,
und es gehört zur Lebenskunst,
es nicht zu überhören.“

Ich wünsche der Klostergemeinschaft und unserer Kirche, dass sie den Menschen helfen, das Leben als Kunstwerk Gottes zu sehen. Lassen wir uns dabei auch von der Webkunst der Navajos inspirieren, dass sie kleine Webfehler zulässt, als Türen für den Hl. Geist: denn unsere Sprache wird geistlos, wenn sie zu bloßen Formen erstarrt, wenn Worte nicht mehr aufhorchen lassen und neugierig machen auf das Evangelium. Ihre Struktur wird geistlos, wenn nur an den alten Mustern weitergewoben wird, und die Offenheit für Überraschendes und Neues verloren geht.

Liebe Schwestern! Sie haben das in den letzten Jahren gezeigt: Sie haben aufbauend auf eine gute Tradition des leidenschaftlichen Gottsuchers Benedikt Räume geschaffen für Begegnung in benediktinischer Gastlichkeit. Für das Gestalten der Chorkapelle und der Möglichkeit der Teilnahme der Klostergäste am Gebet übten Sie sich sogar am biblischen „Exodus“ – 2015 das Jahr der durchschrittenen Räume“, nannten Sie es.

Und wenn wir einmal müde und mutlos werden – das ist normal – dann sollen wir, wie es Alt-Abt Martin Werlen aus Einsiedeln zu sagen pflegt, „miteinander die Glut unter der Asche entdecken und das Feuer neu brennen lassen.“

Letztlich geht es um das Herz des Menschen und auch der Kirche: deshalb spricht auch Gott im Hohen Lied: „Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel an deinen Arm! Stark wie der Tod ist die Liebe.“
Ich schließe mit einem Gebet des Hl. Petrus Canisius, des ersten deutschen Jesuiten aus dem 16. Jh., der auch die Webkunst zur Sprache bringt:

„Als ich es wagte,
dein liebevolles Herz zu berühren,
und meinen Durst aus ihm zu stillen,
da versprachst du mir ein Gewand,
aus drei Teilen gewebt, geeignet,
die Nacktheit meiner Seele
zu bedecken.
Diese drei Teile des Gewandes
bezogen sich ganz und gar
auf meine Aufgabe:
Es waren der Friede,
die Liebe und die Ausdauer:
Angetan mit diesem
Gewand des Heils,
hatte ich die Zuversicht,
mir werde nichts fehlen,
sondern mir werde alles gelingen
zu deiner Ehre.“

Das lege ich uns allen heute am Irmengard- Fest ans Herz: lassen wir uns beschenken mit dem Gewand des Heils aus drei Teilen gewebt – als Gabe und Aufgabe:
Friede, Liebe und die Ausdauer!

Fotos: Rainer Nitzsche

© Freundeskreis Frauenwörth

X